Sommer wie Winter by Judith W. Taschler

Sommer wie Winter by Judith W. Taschler

Autor:Judith W. Taschler
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: Picus Verlag GmbH
veröffentlicht: 2011-09-08T07:47:36+00:00


[113]Therapiegespräch im Jänner 1990

Dr. Z. und Alexander Sommer

Am nächsten Tag ist zu Mittag der Bus gefahren, und in der Früh beim Aufwachen habe ich gewusst, ich muss noch mal hin zu dem Haus, ich muss in der Werkstatt fragen, ob ich hinauf darf in die Wohnung. Vielleicht ist der Nachmieter der Wohnung nett und ich darf kurz rein und sie mir anschauen. Denn, wenn ich mich heute nicht traue, kommt ganz lang keine Gelegenheit mehr, da bin ich mir sicher gewesen.

Ich bin aus dem Zimmer geschlichen, weil die Martina noch geschlafen hat, und um neun bin ich vor der Werkstatt gestanden, es ist eine ganz kleine gewesen und das Tor ist offen gestanden. Ein Mann hat an einem Auto gearbeitet und ich bin zu ihm gegangen und habe rumgestottert, dass meine Mutter früher einmal in der Wohnung da oben gewohnt hat und ich sie mir gern anschauen würde. Der Mann hat sofort zu arbeiten aufgehört und hat nett mit mir geredet. Er hat mich gefragt, wie ich heiße und wann das gewesen ist, und ich habe es ihm gesagt. Er hat mich eine Weile so angeschaut und gesagt: Das Haus und die Werkstatt haben früher meinem Onkel gehört und er hat mir davon erzählt. Geh nur [114]ruhig rauf, da wohnt schon lange keiner mehr, ist alles ziemlich verwahrlost.

Ich bin also die Stiege raufgegangen und bin dabei so aufgeregt gewesen. Oben habe ich gesehen, dass die Tür nur angelehnt und das Schloss kaputt ist. Ich habe die Tür ganz vorsichtig und leise aufgemacht und dann – dann habe ich den Raum vor mir gesehen. Eigentlich ist es keine richtige Wohnung, sondern ein ausgebauter Dachboden, ein einziger großer Raum mit der Dachschräge und vier kleinen Fenstern drin und den vielen Holzbalken in der Schräge. Ich bin hineingegangen und hin und her spaziert. Mir hat der Raum sofort gefallen und ich habe auch was gespürt. Der Raum ist mir so bekannt und vertraut vorgekommen, ich habe zum Beispiel sofort gewusst, wo mein Bett gestanden ist, gleich wie ich hereingekommen bin.

Alles ist total verstaubt und dreckig gewesen und viele alte Zeitungen sind rumgelegen, aber trotzdem – ist da irgendetwas gewesen. Das Licht ist durch die Fenster reingefallen und hat auf den Boden vier helle Rechtecke geworfen, über denen hat man den Staub fliegen sehen. Der ganze Boden ist mit alten, zerrissenen Teppichen belegt gewesen, und nur mehr ein alter kaputter Schaukelstuhl ist da gestanden, sonst nichts, kein Karton mit Tagebüchern oder Briefen oder Fotos oder Prospekten von Neuseeland. Aber das ist mir gar nicht aufgefallen, [115]ich habe einfach nur den Raum so schön gefunden.

Ich wollte gar nicht mehr gehen, ich bin fast eine halbe Stunde lang auf dem dreckigen Boden gelegen und habe durch das Fenster in den Himmel geschaut und die Vögel fliegen sehen. Ich bin dann aufgesprungen, weil ich sonst meinen Bus versäumt hätte.

Vom Mann in der Werkstatt habe ich mich verabschiedet und er hat gesagt, dass ich jederzeit wiederkommen darf. Wie ich durch den Hof zur Straße gegangen bin, habe ich



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